Im Stockholmer Schärengarten

Von Nynäshamn über Stockholm und Arholma nach Öregrund

Mittwoch, 16. Mai 8.40 Uhr Leinen los.
Ab Nynäshamn beginnt der Stockholmer Schärengarten, wie die Stockholmer ihr Revier nennen, mit allein 24 000 Inseln und Schären. Er gehört zu den inselreichsten Küstengewässern der Welt. 150 Inseln davon sind ganz jährig bewohnt. Der Skärgard beginnt in Stockholm und erstreckt sich 60 km weit in die Ostsee, im Norden bis zur Insel Singö und im Süden bis zum Leuchtturm Landsort, vor Nynäshamn. Je weiter man in die Ostsee hinausfährt, desto kleiner, niedriger und kahler werden die Inseln.
Die Sonne scheint und wir segeln mit 6,5 Knoten vor dem Wind mit Schmetterling Besegelung. Seltsame Namen haben die Inseln (bei den Zigtausenden auch kein Wunder): XXlö und Nattarö. Aber dann: freies Segeln, tiefes Wasser, einfach geradeaus – endlich einmal wieder, ganz ruhig, um uns das nordische Licht und das Rauschen von Wellen und Wind, Bob Dylan spielt auf der Mundharmonika, wir essen frischen Räucherlachs. Die Möwen tun sich schwer im Gegenwind.
Wir kommen zur Festung Skans in Dalarö, der Wind wird böig, der Weg wieder kurvig, ein Segelmanöver folgt dem anderen. Kurz vor Stockholm haben die Schären ihr Bild etwas verändert. Fast bis zum Wasser hinab stehen hohe Bäume und es wächst saftig grünes Gras. Auch mehr Sommerhäuser stehen darauf.
ein altes und ein neues Seezeichen

Dalarö Skans

im Fahrwasser um Dalarö


Wir biegen im Fjord vom Fahrwasser ab in einen ganz schmalen Durchgang (zwischen Unterwasserfelsen links und steilem sichtbaren Felsen rechts) und sind in der NAPOLEONSVIKEN vor der Insel Aknö. Napoleon III hat einst hier in der Bucht gebadet, daher der Name. Drei Schiffe sind noch in der von hohen Felsen umschlossenen Bucht versteckt. An Wochenenden in der Saison sind es bis zu 300 Schiffe, erzählt man uns. Auch bekommen wir gleich weitere Tipps von den schönsten Schären, dem STORA NASSA Schärengarten.

Mit Wanderstiefeln besteigen wir die bisher höchsten Schären. Die senkrechten und zum Teil überhängenden Felsbrocken wären auch für Kletterer toll. Eine Urweltlandschaft aus Steinen, Kiefern, Moosen und Einsamkeit finden wir, im kleinen Bach spiegeln sich die Bäume. Uwe hat schon wieder die schönste Bucht gefunden, nur mault er jetzt, weil sein Hightech an Bord nicht funktioniert in dieser Einsamkeit.

Napoleonsviken




Donnerstag 17. Mai Der Tag an dem wir in Stockholm einlaufen wollen. Sechs Uhr früh in der Napoleonsvik: dong – doong Das ist der Weckruf für den Skipper, er rast aus der Koje und schaut nach dem Schiff. Der Bug vorne ist auf einen Unterwasserstein gestoßen. Stahl auf Stein - dong. Der Skipper nimmt den Heckanker etwas dichter und legt sich wieder schlafen. Dooong – dooong. Jetzt springt auch die Besatzung aus dem Schlafsack. Motor an, Kommando: Leinen los - geht nicht, zu viel Zug ist drauf. Also am Schiff die Leinen lösen und an den Bäumen hängen lassen. Erneut an den Felsen fahren, die Crew springt rüber, löst und bringt die Leinen an Bord. Der Schwede nebenan kommt verschlafen auf sein Schiff, springt nackt in die Ostsee, aber nur kurz, um dann anschließend unser Manöver zu überwachen Geschafft, aber was nun um 6.00 Uhr früh? Ankern. Mit dem Buganker mitten in der Bucht und erholen uns erstmal von dem Schreck mit einem Knäckebrotfrühstück. Eineinhalb Stunden später - Anker auf, zum königlich schwedischen Segelclub von Saltsjöbaden. Auf einem Bild im schwedischen Törnführer hat Uwe vor dem bombastischen Grand Hotel „unsere“ Hyundai am Steg liegen sehen. Wir wollen mal sehen, ob die Jungs von unserem Bed and Breakfast und die Hyundai auch heute dort sind. Tatsächlich, die Rennyacht steht davor (wie im Bild), jedoch niemand zu Hause. Wir motoren durch das Nebenfahrwasser Baggensfjärden – Stockholm, die Strecke ist uns wieder wärmstens empfohlen worden, sie ist auch wirklich ein Erlebnis. Am Leuchtturm Boo ist der Abzweig in das wahnsinnig enge Fahrwasser, Tiefe 3 Meter. Haben wir seither kaum Schiffe unterwegs getroffen, kommt jetzt ständig Gegenverkehr, es wird wirklich eng. Luxusvillen säumen beide Ufer. Wir müssen noch unter einer Bücke durchpassen und unter zwei über das Wasser gespannte Leitungen, das ist immer wieder spannend mit unserem hohen Mast. Die schönen landestypischen Holzvillen wechseln jetzt in auffallend bombastische Anwesen jeder Geschmacksrichtung, pompös, teuer, aber meistens nicht schön – nach meinem Geschmack. Zwei Seemeilen vor Stockholm ist ein Gewusel von Ausflugsschiffen, fahrenden Hotels und kleineren Motorbooten. In der Hauptsaison ist der Verkehr dann wohl Wahnsinn. Toll wieder, vom Wasser aus die Stadtsilhouette vor uns zu sehen. Prächtige, historische Gebäude, mit Kupferdächern und goldüberzogenen Türmen. STOCKHOLM, liegt zwischen der Ostsee und dem Mälersee, und wird auch das Venedig des Nordens genannt, weil sich die alten Stadtviertel auf 14 Inseln verteilen.

Die Hyundai in Saltsjöbaden

im engen Fahrwasser vor Stockholm


ein Vorgeschmack auf den schwedischen Sommer


Wir fahren, wie wir später hören, genau über die Stelle an der das Schiff VASA im Jahr 1628 versank und biegen kurz darauf in den Vasahamn Gästehafen auf der Insel Djurgarden ein. 300 Meter nebenan liegt das VASAMUSEUM, dieses Highlight geben wir uns gleich nach dem Anlegen. Die Hallenarchitektur ist speziell auf das große Schlachtschiff zugeschnitten und sehr beeindruckend, wie auch das riesige Schiff selbst, gedämpftes Licht, hohe Luftfeuchtigkeit, ungewöhnlicher Geruch. Das Eichenholz und die 700 geschnitzten Skulpturen und Balkone sind nicht mehr bemalt und vergoldet worden, aber es wirkt auch so schon gewaltig, unvorstellbar der Prunk damals.
Die Vasa

König Gustav II Adolf, ließ das Schlachtschiff bauen, es war das größte seiner Zeit mit 69 Meter Länge, 11,70 Meter Breite, der höchste Punkt über Wasser 52,50 Meter, 64 Kanonen an Bord, aber es hatte nur einen Tiefgang von 4,80 Meter , ein riesen Konstruktionsfehler. Zimmerleute, Schmiede, Seiler, Glaser, Segelmacher, Maler, Schreiner, Bildschnitzer aus Deutschland und Holland, alle haben daran zwei Jahre gearbeitet, der König wollte ein Prunkstück haben. Am 10. August 1628 lief das Segelschiff vom Stapel und kam nicht weiter als eine Seemeile, ein Windstoß, es bekam Schlagseite und versank im Stockholmer Hafen innerhalb kürzester Zeit, da Wasser zu den Kanonenlöcher hereindrang. 30 der 150 Besatzungsmitglieder starben. Erst 1961 begann man mit der aufwändigen Bergung und restaurierte es jahrzehntelang im Trockendock. Nach 333 Jahren wurden noch 14000 Einzelteile gefunden, restauriert und konserviert und zusammengebaut. Selbst Brettspiele waren noch erhalten. Anschließend wurde um die Vasa herum das preisgekrönte Museum errichtet, über 20 Millionen Menschen waren schon da. Wir sind sprachlos.

Das Vasa-Museum

ein Matrose - man hat versucht, ihn nach den Forschungsergebnissen zu rekonstruieren

ein Wendemanöver

das reich verzierte Heck der Vasa - früher war alles farbig bemalt und mit Gold verziert

im Freilichtmuseum Skansen


Wir spazieren noch auf der Insel Djurgarden und schauen uns das älteste Freilichtmuseum der Welt an: SKANSSEN. Historische Bauwerke aus allen Landesteilen und verschiedenen Epochen gibt es hier zu sehen, leider sind die Häuser zu. Viele Norweger in Trachten feiern hier irgendein Fest. Aus 50 Meter Höhe können wir schön auf die Stadt sehen.
Auf dem Schiff zurück, hören wir noch lange das kreischen der Mädchen aus dem Vergnügungspark Tivoli, der nur 500 Meter vom Hafen entfernt ist.

Gröna Lund, das Tivoli von Stockholm

Für die kommenden Tage kaufen wir uns eine „Stockholm Card“ zur freien Benutzung der Museen, von Bus, U-Bahn und einigen Schiffslinien und los geht’s, bzw. fährt's . Zuerst mit dem Hop-on Hop-off Sightseeing Bus, um uns einen Überblick zu verschaffen. Dann schlendern wir durch die GAMLA-STAN, die Altstadt, mit den alten Bürgerhäusern und engen Gassen. Im Kungstradgarden spielt Musik, es ist was los. Mir fallen die vielen jungen Leute und die vielen Kinder auf, oft in Doppelkinderwagen
Gamla Stan



Morgens an der Bushaltestelle sehen wir die Menschen ewig lange Schlange stehen vor dem TIVOLI, immer mehr kommen mit Kind und Kegel an, dabei gibt es den Vergnügungspark schon seit 1800 noch was und ist immer geöffnet. Kreuz und quer fahren wir durch Stockholm, machen eine Führung in der CITY HALL, wo das Festbankett der Nobelpreisverleihungen stattfindet, sehen den blauen Saal, der gar nicht blau ist und den Goldenen Saal mit mehr als 28 Millionen Mosaiksteinchen aus Glas und Gold, er dient als Bankettsaal. Die Fremdenführerin spricht ganz gut verständliches englisch.


der blaue Saal im Stadhuset

der goldene Mosaiksaal

das Menu kostet 1390 Kronen

Das Königliche Schloss, KUNGLIGA SLOTTET, ist die offizielle Residenz des Königs, hier finden auch die Empfänge statt. Wir sehen die königliche Wache zu Pferde mit Musikkorps begleitet, dann schauen wir uns noch kurz die Repräsentationsräume an. Ein riesiger Kasten ist das 1754 im italienischen Barock fertiggestellte Schloss.



Es regnet, wir setzen uns in das Boot zum Schloss DROTTNINGHOLM. Uwe hofft, seine
Kollegin von den Olympischen Spielen 1972 in München zu treffen. Er hat damals während der Olympiade mit einem Bauchladen Trepp-auf, Trepp-ab Filme verkauft und Kollegin Silvia hat die VIP's betreut. Silvia wohnt inzwischen im Schloss Drottningholm und ist Königin, sie hat Carl XVI. Gustaf geheiratet. Leider haben wir sie während der ganzen Schlossführung nicht angetroffen. Sehr prunkvoll hat sie es hier. Die gesamte Schlossanlage ist in das Weltkulturerbe mit aufgenommen. Nebenan, Drottningholms SLOTTSTEATER von 1766, Opern und Ballettaufführungen wurden und werden hier noch aufgeführt. Das kleine Theater ist eines der ältesten der Welt, die Kulissen sind handgemalt, die Akkustik, phänomenal, wir dürfen während der Führung einer Probe kurz zuhören, ohne Mikrophone, so ein Klang. Um mehr Tiefe auf die Theaterbühne zu simulieren, so erzählt der Führer, werden Kinder statt Erwachsene genommen, entsprechend kostümiert und immer kleiner werdend in den Hintergrund gestellt. Falls ich wieder nach Stockholm komme, muss ich hier eine Vorstellung sehen.

hier wohnt Silvia

Zurück zum Alltäglichen. Im Hafen gibt es 3 Waschmaschinen und einen riesigen Trockner, kostenlos, die fülle ich doch gleich alle. Nach 2 Stunden ist die Wäsche erledigt. Am letzten Abend in Stockholm kommen uns noch Kalle und Isabell (sie haben uns letztes Jahr ein paar Tage auf der Momo begleitet und leben in Stockholm) an Bord besuchen. Kalle bringt uns selbst geangelten Fisch mit und erzählt, dass er im Juni ein Segelboot mit Isabell chartert und selbst durch die Schären fährt.


Montag 21. Mai
Unser Skipper möchte wieder in eine einsame Bucht, die Großstadt hat er 4 Tage ausgehalten, heute geht es in die KROKHOLMSVIKEN, 28 Seemeilen entfernt von Stockholm. Das erste mal sind wir kurzärmlig und -höslig unterwegs. Wir kommen an Vaxholm, einer weiteren Festung vor Stockholm, vorbei. Tauben sitzen auf den Kanonen! Kein Wind in Sicht, aber Regen kommt auf zwischen den Stenskären (Steinschären). Wieder eine schmale flache Einfahrt über eine 2,40 m Stelle. Ich stehe zum Ausguck vorne am Bug, blanker Felsboden, ohne Sand oder irgendeinen Bewuchs. Ich gebe Handzeichen nach hinten zum Skipper, mehr backbord, weiter nach steuerbord. Am Anfang habe ich die heiklen Einfahrten am Laptop verfolgt, aber das nervt nur, besser die Steine mit eigenen Augen zu sehen. Geschafft, wir stehen mitten in der Bucht, ganz allein. Wohin jetzt? Noch regnet es und der Wind soll laut Wetterbericht über Nacht in unterschiedliche Richtungen drehen, so fällt ein Felsliegeplatz aus. Wir ankern auf 6 Meter Wassertiefe frei, mitten in der Bucht, so kann uns der Wind im Kreis drehen. Endlich drückt die Sonne durch und wir legen uns auf die Cockpitbänke, während die Bäume und Felsen ständig im Kreis laufen. Das Paddelboot muss ins Wasser, damit Uwe den in Stockholm grundierten Kratzer blau streichen kann. Zum Glück muss Uwe heute sein Anglerglück nicht versuchen, Kalle hat in Stenskär Abborre geangelt und uns, schön filetiert, mitgebracht. Den gibt es jetzt als Middag Essen (Abendessen) mit Kartoffelsalat auf unserem kreisenden Fischlokal. Unser Schlaf ist heute Nacht sehr oberflächlich, es regnet, der Wind heult laut, die Wanten schäppern und der Windgenerator röhrt. Immer wieder ein Blick von uns an die Ufer, haben wir noch einen Abstand zu den Bäumen und Felsen – hält der Anker?

drehende Winde, da liegen wir lieber nicht an den Felsen...

... und machen lieber das Dinghi klar

Dienstag, 22. Mai
Regenwetter; Wir wollen nach Sandhamn. Anker auf in der Krokholmsviken – ein vermodertes Tuch oder Kleidungsstück hängt dran, wahrscheinlich hat nur dieses den Anker gehalten, viel Schlick oder Sand zum Eingraben war bestimmt nicht auf dem Felsgrund. Die Landschaft ist in ein Einheitsgrau getaucht. Der Motor ist auch wieder gefragt.

Unter uns befindet sich heute ein richtig hohes Unterwassergebirge, nur manchmal schaut die abgerundete Bergpitze (hier Schäre genannt) aus dem Wasser. 120 Meter hoch sind die Berge bis zur Wasseroberfläche plus die Spitze. Das bedeutet 120 Meter Wassertiefe , aber gleich darauf sind es wieder nur 4 Meter, dann fahren wir praktisch knapp über der Bergspitze.

heute mal wieder grau in grau

Cinderella II, eine Fähre überholt uns mit einem mords speed, sie fährt nach Sandhamn, wie wir, aber mit Zwischenstopps auf verschiedenen am Weg liegenden Inseln, praktisch wie eine Busverbindung. Kurz vor dem Hafen in SANDHAMN kommt eine Entenfamilie mit 6 Kleinen in die Zange von zwei rasenden Motorbooten, sie haben Stress und schwimmen um ihr Leben. Sandhamn nennt man das Segelmekka der Ostküste, dort ist der königlich schwedische Segelclub. Im Sommer ist der Hafen total überlaufen, aber heute können wir uns einen Platz aussuchen. Nur ein Holländer ist noch da. Das Hotel, ein architektonisch außergewöhnliches Gebäude mit Hafenmeisterbüro neben uns, die Hafengebühr ist königlich hoch, dafür die Duschen lauwarm, aber Wireless Lan ist im Preis mit drin, das Uwe auch gleich für den Blogger nutzt. Eine neue Terrasse wird am Hotel gebaut. Ausnahmsweise sparen wir uns an dem tristen Tag den Landgang.

Panik bei Entens

der königliche Jachtclub von Sandhamn - im Sommer findet man hier keinen Platz


Mittwoch 23. Mai Segelwetter, Kurs 25 Grad, Nord-Nordost. Wetterbericht: West-Südwest-Wind der Stärke 4 – 5. Heute segeln wir zu den Außenschären, zum STORA NASSA SKÄRGARD. Das sind ganz kahle, kleine, flach ins Meer auslaufende Inseln, die aller äußersten, dann kommt nur noch freies Meer. Wir haben uns extra für diesen Schärengarten eine Seekarte gekauft im Maßstab 1:10 000, jeder einzelne Stein ist darauf vermerkt, denn ohne diese detaillierte Karte kann man sich in dieses Gebiet nicht hinein wagen. Irgendwo am Ufer hören wir ein Hämmern, sicher wird wieder eine Terrasse gebaut. Fünf Stunden schönes Segeln.. Meistens 70 Meter tiefes Wasser, aber dann, innerhalb Sekunden 65, 53, 48, 31, 20 14, 4,20 Meter. Die Augen hängen manchmal gebannt am Tiefenmesser. Ganz langsam nähern wir uns den flachen Schären, der Adrenalinspiegel steigt. Wasserpfützen zwischen den Steinen, treffen wir auch immer die tiefste Stelle dazwischen? Wir schaffen es. Vögel fliegen kreischend weg vor uns blauem Ungetüm. Der gesuchte Felsen zum Anlegen liegt vor dem Bug, ich bin schon sprungbereit mit den Leinen, da bläst der Skipper das Manöver ab. Der Wind und die Strömung und die Enge in der Bucht, flach, Steine, das ist für unser schwerfälliges Boot kein guter Ankerplatz über Nacht. Ich möchte mir nicht ausmalen - Dunkelheit und der Anker slippt, überall Untiefen - wohin dann?

Stora Nassa ist ein Archipel im Archipel, hier auf der 1:10 00o Karte


zu eng und zu ungeschützt für unser schweres Schiff

Wir nehmen wieder Plan B, Uwe verzieht sich nach unten und macht die Navigation zur Insel Möja, dort gibt es einen sicheren Hafen. Nun haben wir aber den Wind gegen uns, der Motor aber schafft das. Für uns wieder ein ganz kitzliges Abenteuer, mit eigenem Weg, zwischen Untiefen und sichtbaren Steinen.

neuer Kurs für Plan B

Auf der Insel Möja im Hafen Langviken finden wir einen ganz hübsches Plätzchen inmitten roter Fischerhäuser und einer steilen Felswand. Wir sind die einzigen Gäste und treffen den Hafenkapitän mit seiner deutschen Frau aus Borkum. Ganz fröhlich erzählen sie uns, wie schön es in Langviken ist. Der Hafen ist schon alt, sie halten ihn in Schuss, hinter unserem Steg sei der Hafen in der Mitte flach, nur zum Ufer hin tiefer. (Das muss man aber wissen.) Sie hätten einen Kaufmann im Ort und ein Fischrestaurant 2 km entfernt und jeden Tag kommt eine Fähre nach Stockholm, nur im Winter nicht, da ist hier Eis. - Was braucht man mehr? Wir, keine Heizung mehr, aber Fliegengitter für die Fenster. Die erste langbeinige Schnake, sie sticht, weil sonst nichts rausschaut aus dem Schlafsack, in meinen Daumen.

der kleine Hafen Langviken auf Möja

Momo füllt den ganzen Hafen aus (in der elektronischen Seekarte)


Das Hafenbüro


Donnerstag 24. Mai Ziel Norrtälje Der Süd/West-Wind treibt uns mit 5 Beaufort über das Meer, schönes, befreites (die Steinhaufen halten sich heute etwas zurück) segeln. Im Granhamsfjärden ein reger Fährverkehr und der Wind legt noch 1-2 Beaufort drauf, Momo darf zum ersten Mal in dieser Saison richtig fahren und wird nicht ständig zu Kursänderungen gezwungen. Sie tanzt mit den Wellen, die Sonne scheint, nur der Skipper ist mit meinem Kurs am Steuer unzufrieden.

Stimmt der Kurs?

Im Norrtäljeviken ist die rasche Fahrt zu Ende, wir müssen unter Maschine 11 Seemeilen den Fjord hoch, gegen den Wind und der wird nicht weniger, Hammerböen mit Stärke 7 – 8 drücken uns immer wieder zur Seite, Uwe meint, fast wie im Beagle Kanal. Das Anlegemanöver, das bei dem Starkwind sitzen muss, klappt wie am Schnürchen. Jetzt gibt es ein 2,8 prozentiges Anleger Fätöl. Auf der Terrasse des Restaurants sehe ich eine Raucherin sitzen, sie muss nach Lee rauchen, sonst bekommt sie bei dem Wind den Qualm ins Gesicht.

Mit dem Fahrrad in das nette Städtchen, sogar Geschäfte sind geöffnet, ich erstehe eine Schafwollkappe mit Ohrenklappen. In den gemütlichen Lokalen ist auch Betrieb. Wir aber gehen ins Hafenrestaurant zum Happy Jazz, stellen aber fest, dass unsere „Jungs“ vom Glasperlenspiel in Asperg dagegen flotte Spieler sind. Ein Pärchen tanzt zur Musik, erst meine ich es ist unsere Angela, gleiche Figur und der Ponyschnitt, schade, dass wir uns kein Foto erlauben dürfen. Wir trinken unser Fätöl ohne Schaum aus und wollen soeben gehen, als uns ein Schwede auf deutsch anspricht, wie wir aus Stuttgart hier her kommen, da sei doch kein Meer. Mit unserer deutschen Flagge fallen wir sofort auf. Er kennt Metzingen und Tübingen gut, hat dort Geschäfte gemacht. Uwe und ich sitzen noch bei uns daheim auf der „Terrasse“, bei angenehmen 20 Grad, da bekommen wir Besuch von einem Kater. Er untersucht in aller Ruhe das ganze Deck, den angebotenen Sinka (schwedischen Schinken) mag er nicht.

Norrtälje


Der Kater mag keinen schwedischen Schinken

Freitag, 25. Mai
Wir radeln nochmal in die Stadt zum ICA Supermarkt und um die Telefonkarte aufzuladen. Um 12.00 Uhr geht es erst los, zur 17 Seemeilen entfernten Insel ARHOLMA. Der Sturm hat sich gelegt und wir segeln den Fjord wieder hinaus. Kein auf der Seekarte eingetragenes Fahrwasser führt nach Arholma, so hat Uwe jetzt, damit seine Crew den Weg leichter verfolgen kann, im Laptop unsere heute individuelle Straße (Linie) gezogen, vorbei an Schären, Untiefen und Klippen. Das finde ich ganz toll. Genauen Kurs halten ist jetzt wichtig, es gibt keine grünen und roten Stangen mehr im Wasser zur Orientierung. Wir fahren in den Österhamn, der schon früher als Schutzhafen diente. Die Hafenanlage stammt aus dem 18. Jahrhundert. Wir finden einen Steg vor, an dem wieder mal, es ist Freitag, zwei schwedische Boote liegen. „Heckanker-Manöver“ ist mal wieder angesagt. Uwe wirft den Anker, die 5 Meter Kette und 50 Meter Band aus, das wird ja wohl reichen. Die Crew wirf einen sorgenvollen Blick aufs gekräuselte Wasser und den Wind, der auch noch von der Seite kommt, so legen wir nochmal eine Leine vom Heck diagonal zum Steg, nur für einen ruhigeren Schlaf bei Nacht. Jetzt aber auf die Räder und Arholma, „die Perle“ im Norden, erkunden. Die relativ große Insel steht unter Naturschutz und ist autofrei. Kurz schieben wir die Räder über glattes Schärengestein, dann folgt ein Wiesenweg, eine richtig liebliche Wieseninsel ist Arholma, ganz untypisch für die Schären sonst. Da, ein Schild BASTU. Wir biegen ab und entdecken zwei rote Holzhütten, einen Holzstall mit Holzscheiten, Säge und Beil und ein Saunahaus, Vorraum mit Tischen und Bänken, Fenster mit Sicht auf die ins warme Abendlicht getauchte Ostsee, daneben die Sauna mit großem Holzofen, Bänke und zwei Blecheimer. Ein Schild und ein Holzkästchen, wer die Sauna benützen will, bitte Namen eintragen und 40 Kronen einwerfen. Toll, das machen wir nachher. Schnell noch zu der Arholma Bake radeln, die seit 1768 den Seefahrern den sicheren Weg von See ins Schärenlabyrinth weist. Eine Grandiose Aussicht von hier oben. Auf der Schäre steht auch noch die Kirche und eine alte Windmühle.


Die Arholma Bake ist eine der bekanntesten an der Schwedischen Küste

Zurück über die Wiesen zur Sauna, dort sägt Uwe Holz und heizt den Ofen an, ich bringe aus dem Schiff Handtücher, Brot, Käse und Bier. Bier braucht der Schwede in der Sauna. Eine Mordshitze kriegen wir hin mit dem Ofen. Zur Abkühlung nach dem Saunagang führt eine Hühnerleiter zum Meer hinunter, ein Steg, eine Leiter und ab ins kühle, 10 Grad warme Ostseewasser. Eine Idylle haben wir mal wieder entdeckt mit Arholma. Unserem schwedischen Nachbarn, er ist allein, er grillt, erzählen wir von der Sauna. „Ich habe eine auf dem Schiff“, erwidert er. Wir haben uns schon über seine 3 Kamine auf seinem Boot gewundert, das 1 Meter länger und dicker als Momo ist, aber eine Sauna darauf, das ist unglaublich! Falls wir uns wiedertreffen, er will auch im August durch den Götakanal, dann muss ich die Sauna aber sehen. Nach dem allabendlichen Abhören der verschiedenen Wetterberichte, entschließen wir uns, morgen nach Marihamn, auf den Aalandinseln fahren.

erst Holz sägen
in Schweden und Finnland gehört ein "Öl" zur Sauna

Gerade richtig: die Ostsee hat 10 Grad

Samstag 26. 5.
Wir segeln nach Öregrund, also schwedische Küste weiter hoch nach Norden, vorbei an über 20 Leuchttürmen. Die verschiedenen Wetterberichte waren sich uneinig. Es beginnt auch tatsächlich ein Kampf: Ost- gegen Westwind.

zahllose Leuchtfeuer weisen uns den Weg

unser Weg von Arholma nach Öregrund

Der Westwind legt schwach los, zusammen mit Komplizen Süd, der zieht sich zurück, West regiert allein mit 3 Windstärken. Nun meldet sich der Ostwind, fegt West weg. Wir dagegen kämpfen mit den Segeln, ständig die Stellungen wechseln. Blinde Passagiere fahren mit: Mimigris, ein Marienkäfer und ein grasgrüner Schmetterling. Wie haben die es wohl geschafft, bestimmt über 2 Meilen vom Ufer zu fliegen, bis zu uns. Ich überlege mir, ob ich Marienkäfer, der auf der Backskiste sitzt, und Schmetterling in eine Schachtel packen und in Öregrund freilassen soll, aber der Blick vom Skipper hält mich davon ab, sind wir die Arche Noah? Der Ostwind gibt auf. Ruhe zwischen den Fronten. Windstille. Es ist zum Verzweifeln, wir werfen den Motor an. Nur 10 Minuten ist windstill. Der Westwind, diesmal mit Verbündetem Nord meldet sich zurück, heftig. Zwischendurch soll es bei über 30 Grad Schräglage, auch dem kardanisch aufgehängten Herd sind Grenzen gesetzt, auch noch Suppe geben. Zwischendurch ruft der Skipper um Hilfe, er will reffen. Uwe steht am Steuer, er hat Probleme beim Essen, der Wind bläst ihm die Suppe waagrecht vom Löffel, auch noch rote Tomatensuppe!

Der Elchschal hilft in den harten Böen

Eine ganze Stunde treibt es der West mit dem Nord, dann wechselt der Westwind die Front und kämpft zusammen mit Süd in einer Windstärke um 6 Beaufort und bringt Momo in rasende Fahrt, 8 Knoten schnell. Wir machen noch ein zweites Reff in das Großsegel und rollen den Klüver weiter ein, rasen immer noch, vorbei am Leuchtturm Swartklubben jetzt. Bald darauf ist die Kraft wieder verpufft, West mit Kollegen Süd haben ausgewütet. Windstille – Motor. Kurz darauf macht sich der sogar der Nordwind stark, zusammen mit Ost. Wir sind auch kurz vor Öregrund und der Kampf der Winde hat für uns keine Bedeutung mehr. Unspektakulär hört sich das im Wetterbericht so an: umlaufende Winde. Für uns war das aber zeitweise ein heißer Ritt, wir haben, ohne es zu merken, den 60. Breitengrad überschritten. Wir streichen die Segel endgültig und packen sie auch gleich ein, jetzt ist Schluss. Plötzlich taucht über uns ein Eis-Halo auf. Das ist ein wunderschöner farbiger Eisregenbogen, ganz selten bekommt man ihn zu sehen. Der Halo ist eigentlich ein großer, ziemlich farbloser Ring um die Sonne, der durch die Reflektion des Sonnenlichts an den Eiskristallen der dünnen hohen Bewölkung entsteht. Er stellt einen Schlechtwetterboten dar, wie auch die Cirrus-Wolken mit den Skispitzen, die wir heute schon gesehen haben, mal sehen ob das stimmt.


Die Cirruswolken mit den Skispitzen

Der Eishalo ist zwar sehr schön, aber er verkündet nichts Gutes

Nach 42 Seemeilen erreichen wirt Öregrund auf dem Festland. Davor liegen die Inseln Gräsö und die Schäre Örskär. Den Hafen von Öregrund kennen wir vom Jahr zuvor, aber wo ist denn der Schwimmsteg? Hat noch keine Saison, so machen wir an der Mauer beim Kran, direkt an der Strandpromenade fest. Der Chef und Koch vom Lokal gegenüber, hilft beim Festmachen, wir sind ganz überrascht, normal hilft kein Schwede, es sei denn man bittet ihn ausdrücklich darum. Der Helfer ist aber ein schwedischer Türke, wie wir später beim Pizza essen im seiner Bar feststellen. Der Fernseher läuft. Jetzt weiß ich auch, warum alle Schweden so gut englisch sprechen. Alle Spielfilme laufen in englisch, mit schwedischen Untertiteln.

Das Anlegerbier gibt`s beim schwedischen Türken und dazu mal wieder eine Pizza



Öregrund ist ein sehr hübsches Städtchen

nachts um halb 2 in Öregrund. Den 60. Breitegrad haben wir überschritten und jetzt wird es gar nicht mehr ganz dunkel

Am Pfingstmontag trifft das Halo- und Skispitzenwolkenwetter ein. Dauerregen und stürmischer Wind, der Nordostwind hat die Schlacht gewonnen und treibt jetzt sein Unwesen. Wir liegen voll im Schwell. Eine neue Gymnastikübung fällt uns dazu ein, einbeinig im Schiff stehen, ist extrem schwierig, so ruckt und schaukelt Momo.


Die Wetterboten hatten Recht: Momo liegt im Dauerregen und Starkwind