Wir sind in einer anderen Welt gelandet, suchen in dem schlichten Gebäude vom Yachtklub den Hafenmeister und können uns auch auf englisch verständigen, dann kommt der Zoll mit zwei Damen vorgefahren zur Einklarierung. Anlegerbier oder Kaffee ist an Bord noch die letzte Frage und dann nur noch schlafen, schlafen bis nachmittags. Erholt von der strapaziösen Fahrt passt zum Abschluss des Tages noch ein Spaziergang am wunderschönen langen karamelfarbigen Sandstrand, wie zum Hohn scheint jetzt die Sonne und macht alles ist sichtbar, Hafenmole, Leuchttürme, selbst die Tonnenreihe. Zurückgekommen zu unserem Liegeplatz, sehen wir am gegenüberliegenden Quersteg sechs grosse Fischerboote ankommen, gefischt haben sie ganz kleine Fische, vielleicht Heringe. Jede Kiste bekommt noch eine Schaufel Eis ab und wird dann sofort auf den Lastwagen verladen. Weitere Kisten kommen nebenan, in das grosse nicht sehr einladend wirkende uebel rauchende Gebäude, das muss eine Fischfabrik sein. Jetzt nur noch die lange ersehnte heisse Dusche im Yachtklub, eine Waschmaschine gefüllt (alles ohne extra Kosten), ausser dem Liegeplatz natürlich.

Kurz zu Lettland allgemein:
Im 13. Jh. errichteten deutsche Kreuzritter hier einen Ordensstaat, aus dieser Zeit stehen noch Ordensburgen und deutsche Herrensitze. Dann war Lettland unter russischer, polnischer und schwedischer Herrschaft und gehörte zuletzt 50 Jahre lang (auch Estland und Litauen) zur Sowjetrepublik, viele Balten wurden nach Sibirien verschleppt, dafür siedelten die Russen gezielt Sowjetbürger an. 1991 erklären Lettland und Estland ihre Unbhängigkeit und 2004 sind sie zur NATO und EU beigetreten.

Kurz zu Ventspils:
Im Hafen von Ventspils endet die sibirische Ölpipeline. Das grösste Erdölterminal ist hier und entsprechende Tanker fahren ein und aus, ausserdem ist hier noch das weltweit grösste Umschlagunternehmen von Kaliumsalz, riesige Kohlehalden und Baumstämme lagern im Hafen für den Transport.
Am nächsten Morgen, wieder regeneriert, erkunden wir unsere neue Welt, Lettland.
Wir radeln nun durch die beissenden gelben Rauchschwaden der Fischfabrik zum Ort (50 000 Ew.) und versuchen zu erahnen, was hier abgelaufen ist. Wir kommen vorbei an alten Backsteinfabrikgebäuden, an alten kleinen schiefen Holzhäusern, zum grossen Teil abgeblätterte Farbe, Fenster zugebrettert, aber alle hatten einmal wunderschöne Türen. Unsere Räder schaffen das grobe Kopfsteinpflaster kaum. Ab und zu überholen uns Autos, neue, viele Audis, Daimler, Geländewagen, Opel, ab und zu japanische, im krassen Gegensatz zu den Gebäuden, die wir momentan sehen. Wir finden eine alte Markthalle und auf dem Platz davor Marktstände. Das Angebot ist übersichtlich, es gibt viele Blumen, verschiedene Kartoffelsorten, Rote Beete, mittlere und kleine Gurken, Essiggurken eingelegt in grossen Gefässen, eine Salatsorte, Radieschen, Knoblauch, Sauerampfer, Erdbeeren und Blumenkohl. Alles ist unheimlich günstig und wir bunkern endlich mal wieder ganz frisches Gemüsse, kaufen auch 2 Brotlaibe, beide umgerechnet ein Euro, seit zuhause endlich wieder richtig gutes Brot. Die Verständigung geht mit Händen und Füssen, englisch sprechen meist nur die jüngeren Leute.

Der Ort wirkt unheimlich sauber, vieles ist auch schon renoviert worden. Auffällig sind die vielen Plastiken, meist Springbrunnen, viele Parks und Blumen, ausserdem die vielen Sportstätten. Auf dem Marktplatz stehen Holzhäuser aus dem 17.-19. Jh., das Hafenviertel entstand Mitte des 19. Jh.auf Anordnung der russ. Regierung zur Verhinderung der Sandverschüttung, Bauern mussten sich hier niederlassen. Auch Jugendstilbauten finden sich noch. Die Burg des Livländischen Ordens, die aelteste mittelalterliche Festung Lettlands, eine orthdoxe Kirche St. Nikolai und die Ev. Kirche St. Nikolai. Daneben steht eine nagelneue Bibliothek, in der Uwe auch gleich wieder das Internet aufsucht, Kosten umgerechnet 5 Cent. Jetzt sind wir auf das lettische Bier gespannt und finden die Burgkneippe des Livländischen Ordens. Mit Kerze und Stoffserviette bekommen wir unseren Salat und die Fischsuppe mit einem hellen und dunklen Uzava serviert. Kosten: umgerechnet Euro 11,--.

Wetterbericht: Sturm in der ganzen zentralen Ostsee, außerdem liegen ringsum Tiefs. Wir bringen zusätzlich unsere gepufferten Leinen an und werden trotzdem fast seekrank heute Nacht, Windstärke 7 – 8 im Hafen, und das bestimmt eine halbe Meile weg von der Mole. Morgens haben wir einen Sandstrand im Cockpit und auch sonst überall Sand. So verhilft uns das Tief zu insgesamt 5 Tagen Aufenthalt in Ventspils. Wir entdecken dann noch die neue Stadt, mieten von einem Lotsen, der im Hafen Dienst hat einen BMW zu 18 Lati (25,-- Euro) für einen Tag und fahren ins Landesinnere. Von den gefahrenen 200 km sind wir bestimmt 150 durch den Wald gekommen, meist auf gut geschotterten Strassen. Es stehen noch die Bauruinen und Kolchosen aus der Sowjetzeit herum, aber auch neue Firmengebäude sind zu sehen.